Er spielt und unterrichtet ein seltenes Instrument, bei der BKD arbeitet er an der Schnittstelle von Volks- und Musikschule. Auf «Mr. Music» will Stefan Arni aber nicht reduziert werden. Im Gespräch füllt er einen grossen, fast leeren Konzertsaal mit seinen vielen Interessen, Aufgaben und Ambitionen.

Fürs Fotoshooting hat Stefan Arni zwei Instrumente mitgebracht: die schlanke, schwarzsilberne Oboe und das etwas bauchigere, grössere Englischhorn aus warmbraunem Holz. Die beiden seien verwandt, erklärt er, während der Fotograf sein Ad-hoc-Studio einrichtet. «Man könnte sagen, die Oboe ist mein Beruf, das Englischhorn mein Hobby.» Nicht allen gefallen die hohen Töne der Oboe; etwas breiterer Beliebtheit erfreut sich das Englischhorn, das stilistisch auch vielseitiger eingesetzt wird. Nur Englischhorn lernen kann man bei Stefan Arni aber nicht. Da die technische Spielweise bei den beiden Instrumenten praktisch dieselbe sei, wäre es schade, nicht auch Oboe zu lernen, meint er. Zumal es für dieses Instrument mehr Literatur gebe.
An der Musikschule Bantiger in Bolligen hat Stefan Arni ein winziges Pensum: Aktuell kommen dort ein Jugendlicher und eine erwachsene Frau zu ihm in den Oboenunterricht. «Oboe gelernt haben noch nie besonders viele», sagt er, «vielleicht ist es aber auch wie bei anderen Blasinstrumenten, die es seit einiger Zeit etwas schwerer zu haben scheinen.» Fest steht: Wenn schon die Eltern ein Instrument gespielt haben, ist es wahrscheinlicher, dass auch die Kinder Musik machen. Eine Garantie ist es aber nicht. Stefan Arnis Kinder etwa sind in dieser Hinsicht abstinent, obwohl auch die Mutter früher Musikerin war. Spricht der Musikunterricht in seiner heutigen Form die Kinder und Jugendlichen denn noch an? «Sehr viele ja. Aber sicher müssen Musikschulen überlegen, wie ihr Angebot in zehn oder zwanzig Jahren aussehen wird», findet Arni, und man merkt, dass er gern mitdenkt.
Aber nun ist der Fotograf bereit, und bevor wir das eigentliche Interview beginnen, posiert Stefan Arni im Konzertsaal der Musikschule Bantiger. Der 2022 grosszügig angelegte Saal von 150 Quadratmetern ist ganz in dunklem Blau gehalten. Die beiden Konzertflügel, die an diesem Tag die ganze «Möblierung» darstellen, wirken klein darin, fast verloren. Nicht so Stefan Arni.
Selbstbewusst blickt er in die Kamera. Er steht gern im Rampenlicht – ein Muss im Musikerberuf. Der Saal hat etwas klassisch Strenges, doch allzu klassisch möchte der Mann, der auch gern mit dem Jazz flirtet, nicht rüberkommen. Rasch wechselt er das weisse Hemd mit einem gestreiften T-Shirt für eine zweite Shooting-Runde.
«Ich hatte schon immer zwei Seiten», sagt er. Und so ist auch sein beruflicher Werdegang alles andere als klassisch, oder – wie er es ausdrückt – «nicht wahnsinnig linear».
Auf Umwegen zum Beruf
Angefangen hat alles am Klavier, das der Vater spielte. Doch dann spornte der fünf Jahre ältere Bruder mit seinem Fagott den
Jüngeren an, ebenfalls etwas Aussergewöhnliches auszuprobieren. «Da gab es noch die Oboe» erinnert sich Stefan Arni, «mich reizte das Exotische an ihr.» Voller Elan stürzte er sich in dieses Abenteuer. Doch als er später am Berner Konservatorium Oboe studieren wollte und an der Aufnahmeprüfung nach seinen beruflichen Plänen gefragt wurde, gab er an, zur Hälfte als Musiker und zur Hälfte etwas anderes arbeiten zu wollen – was nicht so gut ankam. «Ich hatte wohl auch sonst nicht meinen besten Tag und wurde erst einmal nicht aufgenommen», lacht er. «Damals hatte ich auch wenig Vergleichsmöglichkeiten und wusste gar nicht, wo ich stehe.»
Zum Glück hatte Arni noch andere Interessen. Er studierte an der Uni Bern Soziologie, Medien/Kommunikation und Marketing. «Die empirische Sozialforschung fasziniert mich», schwärmt er.
«Zahlen sprechen mich an, und manchmal hätte ich auch in meinem heutigen Berufsalltag bei der BKD gern noch mehr Zeit für Statistik.» Der Weg bis zum wissenschaftlichen Mitarbeiter und stellvertretenden Leiter des Fachbereichs Schulergänzende Angebote führte damals aber um eine weitere Kurve. Parallel zum Studium an der Uni studierte Stefan Arni nämlich doch noch Oboe und Englischhorn – an der Hochschule der Künste in Biel und Bern (HKB).
«Ich wollte unterrichten und in verschiedenen Ensembles spielen», erzählt er, «eine volle Orchesterstelle hat mich nie interessiert.» Für längere Zeit gab er an drei Musikschulen im Kanton Bern Oboenunterricht, darunter auch am Konsi. Dazu kamen 50 Stellenprozente bei der Bildungs- und Kulturdirektion, als er 2010 mit 32 Jahren Vater wurde. Heute ist seine Tochter 14, der Sohn 12, und Stefan Arni arbeitet zu 80 Prozent bei der BKD. Zwei Tage pro Woche ist er im Homeoffice bei den Kindern in Steffisburg.
Daneben gibt es noch das winzige Pensum an der Musikschule Bantiger und das Ensemble pun:ktum, ein Sextett mit fünf Bläsern und Klavier. Einmal im Jahr arrangiert und komponiert Arni zudem als Bandleader für ein Ad-hoc-Orchester in der Burgundersiedlung Bümpliz, der ersten autofreien Siedlung der Schweiz. Dort wohnt er, getrennt von der Mutter seiner Kinder.
Gute Work-Life-Balance
Ist Stefan Arni zufrieden mit seiner Work-Life-Balance? Er überlegt kurz, dann nickt er und fasst die zwei Seelen in seiner Brust in einem Satz zusammen: «Die Ästhetik einer Excel-Tabelle sagt mir ebenso zu wie ein gutes Musikstück!» Sein Tätigkeitsfeld bei der BKD empfindet er als angenehm vielseitig, auch die Führungsarbeit gefällt ihm. «Um es mit einer musikalischen Metapher zu sagen: Ich habe zuweilen sehr gern den Lead auf der Bühne, mag aber auch die Arbeit backstage, wo man schaut, dass die Rahmenbedingungen für andere stimmen.»
Stichwort Talentförderung: Hier ist Stefan Arni federführend im musischen Bereich, der u. a. Musik, Tanz und Gestalten umfasst. Zudem betreut er die kantonale Koordinationsstelle im Zusammenhang mit dem eidgenössischen Förderprogramm «Junge Talente Musik».
Letztere werden im Kanton Bern an den 28 anerkannten Musikschulen und – als Vorbereitung auf ein Musikstudium – am Gymnasium Hofwil, an der HKB und an der Swiss Jazz School Bern ausgebildet. Rund 400 Talentkarten wurden im letzten Jahr vergeben. Diese ermöglichen es besonders begabten Schülerinnen und Schülern, in eine Talentförderschule einzutreten oder den Musikunterricht und das Üben dank Dispensationen besser in den Alltag zu integrieren. Ihre Familien bekommen in einzelnen Fällen auch finanzielle Unterstützung. Gern hätte Stefan Arni einst selbst solche Möglichkeiten gehabt, doch die Talentförderung in dieser Form ist noch relativ jung.
Umgekehrt möchten die Musikschulen vermehrt ergänzende Angebote in die Volksschule hineintragen, wobei strukturelle Barrieren so manches Projekt erschweren oder verhindern. Hier müssten neue Wege beschritten werden. Stefan Arni strahlt, er liebe es, Prozesse anzustossen.
In Sachen Kommunikation pflegt er den bewussten Umgang mit Sprache, die bildliche Darstellung von Sachverhalten und das Medium Film. «Ich bin ein Allrounder», sagt er über sich selbst, «nicht nur in der Musik.» So steht auf seiner Agenda innerhalb des Fachbereichs auch die Ferienbetreuung. Immer wieder scheint sich das Leben des ehemaligen Pfadi- und J+S-Leiters um die Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen zu drehen.
Nur wie die eigene berufliche Reise weitergehen könnte, sieht Stefan Arni an der BKD aktuell nicht. In welche Richtung möchte er sich denn verändern? «Das kann ich noch nicht sagen», meint er lächelnd, «jedenfalls noch nicht druckreif.»
Tina Uhlmann
Foto: Sam Bosshard
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