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Barbara Ruf: «Ich habe sehr viel Ausdauer»

Barbara Ruf hat sich in ihrem Berufsleben lang dem Verhältnis der Geschlechter gewidmet – zuerst als Nachtwache im Berner Frauenhaus und nun schon seit 23 Jahren als Leiterin der kantonalen Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern.

Barbara Ruf

Nomen est omen heisst es, doch nicht immer eilt der Name einer Person wie ein passendes Programm voraus. Der Vorname Barbara hat seine Wurzeln im indischen Sanskrit, wo das Wort barbarãh das «Stammeln» anderer Völker in «unverständlichen» Sprachen bezeichnet. Im Griechischen war Barbara dann einfach «die Fremde», im Lateinischen kam die Bedeutung der «Wilden» dazu.

Barbara Ruf, die Gleichstellungsbeauftragte des Kantons Bern, die uns in der Staatskanzlei neben dem Berner Rathaus zum Interview und Fotoshooting empfängt, scheint auf den ersten Blick das Gegenteil all dessen zu verkörpern: Ihre Erscheinung ist schlicht und gepflegt, ihre Begrüssung klar und deutlich, ihr Lächeln so offen wie das einer alten Bekannten. In ihrem Einzelbüro entschuldigt sie sich wie viele Schweizerinnen erst einmal für die nicht vorhandene Unordnung. Dann setzt sie sich an den runden Tisch, mit erwartungsvollem Blick.

Es fällt nicht schwer, mit Barbara Ruf ins Gespräch zu kommen. Da ist – anders als bei anderen Interviewpartnerinnen oder –partnern – kein Eis zu brechen, kein missionarischer Eifer zu umschiffen, da schwimmen keine nichtssagenden Floskeln obenauf. «Ich bin hartnäckig», sagt sie auf die Frage, was sie denn über so viele Jahre für den zähen Kampf um die Gleichstellung der Frauen befähigt habe. Dann korrigiert sie sich: «Nein, nicht hartnäckig, ausdauernd, das ist das bessere Wort. Ich habe sehr viel Ausdauer.»

Frühe Erfahrungen

Barbara Ruf war noch ein Mädchen, als ihr klar wurde, dass in unserer Gesellschaft für Weiblein und Männlein nicht dasselbe gilt. Die Familie lebte auf dem Land, im Oberaargau. Der Vater war berufstätig und politisch aktiv, die Mutter, ausgebildete Kindergärtnerin, war Hausfrau. «Als meiner Mutter eine Stellvertretung im Kindergarten angeboten wurde, wollte sie diese annehmen», berichtet Ruf, «für meinen Vater war das erst einmal unvorstellbar, es gab Diskussionen. Aber weil es nur eine Stellvertretung war, wurde es schliesslich möglich.» Die Tochter hörte den Gesprächen der Eltern zu, beobachtete, dachte sich ihren Teil. Später, während der Gymerzeit, habe sie dann selbst Diskussionen mit dem Vater gehabt. «Auch wenn wir selten einer Meinung waren: Mein Vater hat mein Interesse für Gleichstellung wahrgenommen. Das hat mich bestärkt und argumentieren gelehrt.»

Ihre Maturitätsarbeit an der Kantonsschule Zofingen schrieb Barbara Ruf über «die alten Frauenbewegungen». Die Erkenntnis, wie lange und intensiv Frauen in der Schweiz schon für ihre Gleichstellung kämpfen, hat in ihr den Wunsch geweckt, sich selbst gesellschaftlich zu engagieren. So hat sie als Romanistikstudentin während ihres Sprachaufenthalts in Paris an einem Projekt für Strassenkinder mitgearbeitet und bei ihrer Rückkehr an die Uni Freiburg ins Fach Soziale Arbeit gewechselt. Der breit angelegte Studiengang, zu dem auch Psychopathologie und Familienrecht gehörten, passte der jungen Frau: «Verschiedene Perspektiven zusammenzubringen, war mir schon immer wichtig», hält sie fest.

Männlicher Gewalt entgegentreten

In der Zeit, in der Barbara Ruf studierte, begannen Frauen, nach der Familienphase wieder ins Erwerbsleben einzusteigen. In Studienarbeiten setzte Ruf sich mit weiblichen Erwerbsbiografien auseinander und erkannte, wie wichtig die wirtschaftliche Unabhängigkeit für Frauen ist. Gleichzeitig engagierte sie sich bei der Beratungsstelle Lantana, die damals Vergewaltigungsprozesse beobachtete und auswertete. Wenn sie davon erzählt – oder von ihrer ersten Stelle als Nachtwache, später als Sozialarbeiterin im Berner Frauenhaus –, zeigt sie kaum Emotionen. Da ist keine Wut zu spüren, keine Empörung. Wie viele, die nahe dran sind an menschlichen Katastrophen, hat sie gelernt, ruhig und bei sich zu bleiben, um etwas bewirken zu können.

«Damals und auch heute erstatten Vergewaltigungsopfer oft keine Anzeige, weil sie befürchten, dass ihnen vor Gericht nicht geglaubt wird», berichtet sie, «die rechtlichen Verfahren waren und sind für die Opfer oft erneut traumatisch.»

Dass es trotzdem schrittweise vorwärtsgehe, sei Pionierinnen – unter anderem auch bei der Polizei – und Aktivistinnen zu verdanken. «Ihr Engagement», so Barbara Ruf, «hat mich immer motiviert.» Um geschlechtsspezifischer Gewalt stärker vorbeugen zu können, hat sie sich für die Gleichstellungsarbeit in der Verwaltung entschieden. Sie ist überzeugt: «Die Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann ist Gewaltprävention.»

Für die BKD hat ihre Fachstelle unlängst eine Website erstellt, auf der Lehrpersonen, Sozialarbeitende und Schulleitungen Präventionsangebote nach Zyklen finden, Weiterbildungsangebote sowie Hinweise zu den politischen Rahmenbedingungen: «Mit dem Unterzeichnen der Istanbul-Konvention hat sich die Schweiz verpflichtet, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen», heisst es da. «Schulen können einen Beitrag leisten, indem sie im Unterricht die Gleichstellung der Geschlechter, Rollenbilder und geschlechtsspezifische Gewalt thematisieren. Die Istanbul-Konvention bestärkt den Auftrag des Lehrplans 21, der diese Themen behandelt.»

Vielseitiger Arbeitsalltag

Informieren und Beraten, Initiieren und Koordinieren, Argumentieren und Dranbleiben: Das sind alltägliche Aufgaben der Fachstelle zwischen Verwaltung, Politik und Gesellschaft. In den Büros von Barbara Ruf und ihrem Team gleicht kein Tag dem andern. «Wir äussern uns zu gleichstellungsrelevanten Gesetzesentwürfen und politischen Vorstössen», erklärt sie und fährt sogleich fort: «Ämter unterstützen wir bei der Umsetzung der Gleichstellung in ihrem Politikbereich. Schulen stellen wir Materialien zur Gleichstellung zur Verfügung, und wir helfen beim Nationalen Zukunftstag mit. Wir bieten gleichstellungsrechtliche Weiterbildungen an und werben via «Werkplatz Égalité» für Good Practice bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Unternehmen. Ein aktueller Schwerpunkt sind die Armutsrisiken bei Frauen aufgrund von familienbedingtem Erwerbsunterbruch und Kleinstpensen, wie sie gerade bei Lehrerinnen häufig vorkommen.»

Barbara Ruf strahlt, die Tatkraft dringt ihr förmlich aus den Poren. Bevor sie 2001 ihre aktuelle Stelle beim Kanton Bern antrat, konnte sie als erste Gleichstellungsbeauftragte im Kanton Aargau eine Fachstelle selbst aufbauen und fünf Jahre Erfahrungen sammeln. Dass es ihr Vater gewesen war, der sie damals auf diese Stelle aufmerksam gemacht hatte, freut sie heute noch. «Neue Ideen werden in der Theorie zwar oft verworfen, im konkreten Leben dann aber doch akzeptiert», lächelt sie. Fürs Fotoshooting schlägt sie die Steintreppe im benachbarten Rathaus vor: «Sie symbolisiert die Gleichstellung sehr schön. Es geht Schritt für Schritt voran und manchmal auch zurück.»

Barbara Ruf (59)

ist im Oberaargau aufgewachsen und lebt in der Stadt Bern. Sie hat an der Universität Freiburg Soziale Arbeit studiert und die erste Fachstelle für die Gleichstellung von Männern und Frauen im Kanton Aargau aufgebaut. 2001 übernahm sie die Leitung der Gleichstellungsfachstelle des Kantons Bern.

Tina Uhlmann

Fotos: Pia Neuenschwander

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