Nicolas Kuran-Pellegatta und Joram Weber von den Styleacrobats bieten Schulworkshops für Hiphop, Breakdance und Akrobatik Rock’n’Roll an, Joshua Monten unterrichtet mit seiner Compagnie Schülerinnen und Schüler in zeitgenössischem Tanz. Die drei professionellen Tänzer und erfahrenen Vermittler sprechen darüber, was Tanz an Schulen bewegen kann.
Ihr bietet seit Jahren Tanzvorstellungen und Workshops für Schulen an. Für wen sind eure Angebote gemacht?

Joshua Monten Mit meiner Tanzgruppe kreiere ich Stücke für ein grosses Publikum, die alle Altersgruppen ansprechen sollen. Von fast jedem Stück gibt es ein Vermittlungsformat, mit dem wir an die Schulen gehen. Wir zeigen unsere Arbeit gerne und nehmen das zum Anlass, die Kinder zu animieren, mit uns zu tanzen. Ich finde, wir leben in einer tanzfeindlichen Gesellschaft und lernen früh, unsere Tanzimpulse zu kontrollieren – die Menschen tanzen zu wenig, und dem wollen wir entgegenwirken.
Wir geben jeweils eine Vorstellung, und danach machen die Tänzerinnen und Tänzer mit den Schülerinnen und Schülern parallel mehrere Workshops. Dort können die Kinder Material aus dem Stück ausprobieren, das sie gerade gesehen haben. Wir haben zwei Angebote ab der 1. Klasse, neu ist «Anger Management» hinzugekommen, das richtet sich an Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse (Anm. d. Red.: siehe rechte Seite). Es geht darum, wie wir mit Wut umgehen. Wie zeigt sich unsere Wut? Welche Bewegungen entstehen draus? Mit solchen Fragen arbeiten wir und beziehen zum Beispiel den Bühnenkampf mit ein, um daraus zu lernen, wie man Kampfszenen sicher und einvernehmlich darstellen kann. Das macht viel Spass, und es tut den Kindern gut, etwas Neues und Ungewöhnliches auszuprobieren und die eigene Kraft zu spüren.

Nicolas Kuran-Pellegatta Auch wir nutzen Anknüpfungspunkte aus dem Alltag der Kinder und Jugendlichen und bringen zum Beispiel Sportarten in den Tanz hinein, die ihnen bereits vertraut sind. Sie verbinden dann einen Basic Step aus dem Hiphop mit ihrer Sportart – das hilft, die Hemmschwelle zu überwinden. Und dann versuchen wir allmählich, nicht nur vorzugeben, sondern auch ihre Kreativität zu fördern, ihnen also Übungen zu geben, um selbst Bewegungen zu entwickeln und sich auszudrücken. Wir beginnen den Tag mit einer Show unseres Teams und schliessen ihn nach den Workshops mit einer Show der Schülerinnen und Schüler ab (Anm. d. Red.: siehe rechte Seite). Es ist uns wichtig, dass sich die Kinder niemals ausgestellt fühlen. Wir tanzen mit ihnen und arbeiten in der Gruppe. Unser Ziel ist, dass die Schülerinnen und Schüler sich beim Tanzen als Gemeinschaft wahrnehmen und Zusammenhalt spüren.
Monten Tanzen macht am meisten Spass, wenn man es mit anderen zusammen macht. Dann trägt die Gruppe die Einzelnen, die plötzlich bereit sind, Dinge auszuprobieren, die sie sich allein nicht trauen würden. Der Tanzkurs ist ein Safe Space, hier haben wir eine andere Bewegungsfreiheit als im normalen Leben und im Schulalltag.
Kuran-Pellegatta Es gibt kein Richtig oder Falsch. Die Jugendlichen dürfen ausprobieren, wie sich Bewegungen anfühlen. Das führt zu einer eigenen Dynamik in der Gruppe, und die Jugendlichen tragen sich gegenseitig.
Monten In den Workshops zeigen Schülerinnen und Schüler oftmals Talente, die in den üblichen Schulfächern nicht zum Vorschein kommen. Das stärkt das Selbstbewusstsein.

Joram Weber Die Stärkung des Selbstvertrauens und das Erlebnis der Gemeinschaft sind mindestens so wichtig wie das Erlernen von körperlichen Fähigkeiten oder das Entwickeln von Kraft und Beweglichkeit für akrobatisches Können. So machen wir mit unseren Workshops die schöne Erfahrung, dass Jugendliche uns rückblickend sagen, sie hätten dadurch den Zugang zum Tanzen gefunden. Sie haben entdeckt, was auch noch in ihnen steckt. Denn besonders bei Jungs sind die Hemmschwellen manchmal hoch.
Monten Die starren Geschlechterrollen spiegeln sich in der Bewegungsbereitschaft der Kinder wider. Das ist eine Herausforderung, die auch wir wahrnehmen und der wir etwas entgegenzusetzen versuchen, indem wir beispielsweise in geschlechtsgleichen Gruppen arbeiten, das lässt mehr Kontakt und Austausch zu.
Und dann tanzen auch die Lehrpersonen?
Kuran-Pellegatta Oftmals schon, ja! Aber es ist natürlich kein Muss. Bei uns sind sie herzlich eingeladen mitzumachen.
Monten Jede und jeder kommt mit anderen Fähigkeiten. Wir versuchen kein homogenes Corps de Ballet zu bilden, sondern die Menschen zu animieren, mitzumachen, wie sie eben können. Und wenn die Lehrpersonen, die ja andere Körper haben als die Kinder und Jugendlichen, dabei sind, dann ist das ein schönes Beispiel dafür, was möglich ist: Alle können tanzen.
Bruna Casagrande
Fotos: Alain Bertheau / zvg
EDUCATION 3.25