Als ich zur Schule ging, war für mich klar, dass ich niemals Lehrerin werde. Ich wollte raus aus der Schule, rein ins Leben.
Aufgewachsen bin ich in Münsingen. Während meiner Zeit am Gymnasium in Thun habe ich gemerkt, dass der Lehrerberuf vielleicht doch nicht so abwegig ist. Besonders dann, wenn man sich für viele verschiedene Dinge interessiert.
Ich brenne für Sprachen, Englisch und Deutsch, aber auch für Geschichte, Geografie, Wirtschaft und Recht. Gleichzeitig mache ich viel Sport, bewege mich draussen in der Natur, bin gesellig und treffe mich gern mit Freundinnen und Freunden.
All diese Facetten – spannende Fachinhalte, Sport und Bewegung, die Verbundenheit mit der Natur und der soziale Austausch – finden in der professionellen Pädagogik ihren Platz. So habe ich nach der Matura an der PHBern die Ausbildung zur Sekundarlehrperson absolviert.

In meiner Masterarbeit habe ich den Diskurs zu den Nürnberger Ärzteprozessen analysiert; einem Nachfolgeprozess gegen Verantwortliche des Deutschen Reichs zur NS-Zeit.
Die Wahl dieses doch sehr düsteren Themas war wiederum meinem Interesse für historische Fragen geschuldet. Mir ist wichtig, in der Schule auch schwierige Kapitel der Geschichte anzusprechen, für ein besseres Verständnis unserer Vergangenheit. Natürlich gibt der Lehrplan die Themen vor, doch in der konkreten Ausgestaltung und Entwicklung meines Unterrichts bin ich frei. Das gefällt mir am Dasein als Lehrperson besonders gut.
Im Frühjahr 2021 habe ich mein Studium abgeschlossen. Noch im selben Jahr habe ich in Langnau im Emmental meine erste Vollzeitstelle als Klassenlehrperson einer 5./6. Klasse angetreten. Obwohl ich die Schule in Langnau bereits von einer Stellvertretung her kannte, ist es immer eine Lotterie, wenn man eine neue Stelle antritt. Das Glück war mir hold: Ich bin zu einem herzlichen Team gestossen, das mich gut unterstützt. Auch wenn ich ausgebildete Sekundarlehrperson bin, macht mir die Arbeit auf der 5./6. Primarstufe viel Freude. Die Kinder formen in diesem Alter ihr eigenständiges Denken; ich erlebe sie sehr neugierig und aufgeschlossen.
Schule ist für mich nicht nur ein Ort, um Fachinhalte zu büffeln. Schule ist auch ein sozialer Ort, wo man wichtige persönliche Fragen des Lebens verhandelt. Hierbei setze ich auf Ehrlichkeit und Authentizität. Ich verzichte bewusst auf festgeschriebene Klassenregeln. Stattdessen bin ich mit den Kindern in ständigem Austausch. Wenn etwas nicht läuft, wie es soll, versuche ich das direkt anzusprechen und zu klären. Das klingt einfach, verlangt aber nach viel unmittelbarer Aufmerksamkeit und Präsenz.
Als Klasse sind wir gemeinsam unterwegs. Um das zu versinnbildlichen, habe ich im Klassenzimmer ein Bild vom Matterhorn aufgehängt. Wenn die Kinder die Hausaufgaben erledigen, gute Klassengespräche abhalten oder untereinander eine wertschätzende Stimmung kreieren, erhält die Klasse einen Pokal. Bei sieben Pokalen ist das Matterhorn erklommen, und ich spendiere ein Zvieri. Solche Rituale stärken die Verbindlichkeit.
Ich gebe mir Mühe, dass sich die Kinder in der Klasse wertgeschätzt fühlen. Darum gehe ich stets vom Guten im Menschen aus. Ich vertraue den Kindern, mache keine komischen Bemerkungen und stelle niemanden bloss.
Und ich mache mich angreifbar. Etwa wenn ich meine Leidenschaft für den SC Bern kenntlich mache. So habe ich im Klassenzimmer einen Becher mit dem SCB-Logo stehen. In Langnau, wo der direkte Ligakonkurrent SCL Tigers spielt, kommt das natürlich nicht so gut an. Die Kinder finden es lustig, mich deswegen zu foppen. Das macht mich menschlich nahbar. Es stimmt halt doch: Sport hat ein verbindendes Moment, auch über den eigenen Lieblingsklub hinaus.
Jaël Häberli (27)
arbeitet als Klassenlehrperson an der Schule Höheweg in Langnau. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann, ihren zwei Kindern und dem Hund Duke in Konolfingen.
Lukas Tschopp
EDUCATION 4.25