Colette Stähli: «Die Kinder sollen Autonomie und Selbstwirksamkeit erleben»

Ich bin seit fünf Jahren für die operative Leitung der Tagesschulangebote Langenthal verantwortlich. In dieser Funktion führe ich ein Team mit 25 bis 30 Personen an vier Standorten. Ein fünfter Standort wird vom Verein Kita Tagi Windrose im Auftrag der Stadt geführt.

Die Hälfte der Mitarbeitenden sind pädagogisch ausgebildete Fachpersonen, die andere Hälfte sind Betreuungspersonen ohne pädagogische Ausbildung oder befinden sich in der Lehre zu Fachfrau/-mann Betreuung Kinder (FaBeK). Das Team begleitet die Kinder während der Mittagspause sowie vor und nach dem Unterricht – also in der schulfreien Zeit. Bei Bedarf unterstützen wir die Kinder bei den Hausaufgaben. Als Betreuungsinstitution haben wir jedoch einen anderen Auftrag als die Schule, die Stoff vermittelt und Leistungsziele setzt.

Die Schülerinnen und Schüler verbringen bei uns ihre Freizeit. Sie sollen Autonomie und Selbstwirksamkeit erleben. Wichtig ist uns, die Kinder individuell zu unterstützen und den sozialen Austausch zu fördern. Darin sehe ich auch einen Beitrag zur Integration.

Wir haben klare Regeln unter dem Oberbegriff der Sorgfalt. Dazu gehören Wertschätzung von Essen sowie gegenseitiger Respekt, der weder Diskriminierung noch Gewalt zulässt.

Wie wir im Team miteinander umgehen, zum Beispiel mit Nähe und Distanz, kann den Kindern ein Vorbild sein. So erleben sie, dass es okay ist, Grenzen zu setzen.

In meiner Leitungsfunktion unterstütze ich die Mitarbeitenden und halte ihnen in schwierigen Situationen den Rücken frei. Ich führe viele Gespräche und lege Wert auf gegenseitige Feedbacks. Ein offener Austausch und eine positive Fehlerkultur stärken das gegenseitige Vertrauen und geben dem Team einen sicheren Boden. Zusätzlich zur pädagogischen Weiterbildung erfolgen regelmässig Coachings sowie Fallbesprechungen. Bei diesen Intervisionen geben die Mitarbeitenden ihr eigenes Fachwissen im Rahmen einer kollegialen Gruppenberatung weiter. Ein gutes Arbeitsklima zahlt sich auch bei der Personalrekrutierung aus: Trotz Fachkräftemangel konnten wir vakante Stellen ohne zeitraubende Personalsuche besetzen.

An meiner Aufgabe gefällt mir die enorme Vielseitigkeit: die Zusammenarbeit mit dem Team, mit Kindern, Eltern, Lehrpersonen, Behörden sowie die Arbeit als Mitglied der Schulleitungskonferenz. Drei unserer Standorte sind räumlich auf den Arealen der Volksschule angesiedelt. Das begünstigt den Austausch und gemeinsame Aktivitäten wie das «Güetzele» vor Weihnachten. Für die Kinder ist es ideal, wenn sie nach Schulschluss im gleichen Umfeld bleiben können.

Die Raumsituation bleibt eine Herausforderung, nachdem das Langenthaler Stimmvolk Ende 2023 drei Neubauprojekte abgelehnt hat. Durch diese hätten die Tagesschulkinder direkt an ihren Schulstandorten betreut werden können. Nun müssen nach wie vor viele Kinder nach dem Unterricht per Taxi an einen Standort ausserhalb der Schulareale wechseln. Die individuelle Betreuung wird erschwert, wenn am Mittag gleichzeitig 50 Kinder am selben Ort eintreffen. Wir suchen nach Lösungen, wie wir dieser Situation besser gerecht werden können.

Eine weitere Herausforderung ist der Betreuungsschlüssel: In der Tagesschule kommt auf zehn Kinder eine Betreuungsperson. Kinder, die besonderer Förderung bedürfen, sind in einem sozialpädagogischen Setting meist besser aufgehoben. Dort ist eine Betreuungsperson für sechs oder vier Kinder zuständig. Mir ist es wichtig, den Eltern unsere Rahmenbedingungen deutlich zu machen – zum Wohle ihrer Kinder, denen überfordernde Situationen oder Umplatzierungen erspart werden sollen.

Nebst meiner 90-Prozent-Anstellung in Langenthal biete ich Coachings an – unter anderem als Aufräumcoach. Ich unterstütze Menschen darin, Altlasten loszulassen und eine Ordnung zu finden, die ihren eigenen Bedürfnissen entspricht. Ob materiell oder im Kopf: Je mehr man mit sich herumträgt, desto stärker ist man mit sich selbst beschäftigt. Aufräumen hilft, in der Gegenwart präsent zu sein – ebenfalls eine gute Voraussetzung für die Betreuung von Kindern.