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Fünf Fragen an Ariane von Graffenried

Ariane von Graffenried
1. Wenn Sie an Ihre Schulzeit denken, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?
Die blühenden Kirschbäume am Bubenbergrain, die AJZ-Graffitis am Sandstein, verwinkelte Gassen, mein blau leuchtender Schulranzen mit den rot reflektierenden Schnappschnallen, die Bisse der Läuse auf meinem Kopf, schwernasse, fliegende Schwämme, Blutsschwesternschaften und Schlägereien auf dem Pausenplatz, Frau Maybachs schlohweisses, langes Haar, der ­Geruch der schönen grünen Aare.
 
2. Welcher Lehrperson würden Sie rückblickend eine Sechs geben und warum?
Maria-Luisa Willener lehrte mich mit elf Jahren kritisches Denken, Christoph Grädel führte mich im Gymnasium zur Lyrik und zum Theater, und Benedikt Bietenhard entfachte meine Liebe zu geschichtlichen Themen.
 
3. Inwiefern hat Ihnen die ­Schule geholfen, eine erfolgreiche Schriftstellerin zu werden?
Die Arbeit im Journalismus, der Austausch mit erfahrenen Schriftstellerinnen, die Lieder toter Dichter, das Vortragen erster eigener Texte in lauten Bars waren wohl ausschlaggebender. Aber die Schule hat sehr geholfen, mir das nötige Grundwissen anzueignen, um die Welt einigermassen entschlüsseln zu können. Damit war ich überhaupt erst in der Lage, sie zu beschreiben.
 
4. Was ist das Wichtigste, was Kinder und Jugend­liche heute im Kindergarten oder in der Schule lernen sollten?
Empathie, Rücksichtnahme und Toleranz. Hilfsbereitschaft gegenüber Schwächeren. Kritisch-konstruktives Denken. Die Fähigkeit, Fakten und Fiktion zu unterscheiden, auch die ­Fähigkeit zur Selbstkritik. Die Kinder sollten das nötige Werkzeug erhalten, um sich der Komplexität und Vieldeutigkeit der Welt zu stellen, und die Möglichkeit, positive Perspektiven einzunehmen, um die Welt gemeinsam und besser zu gestalten.
 
5. Wären Sie eine gute Lehrperson?
Ich habe Schreib­workshops für Klein und Gross gegeben, an der Universität und am Schweizerischen Literaturinstitut unterrichtet und hoffe, dass ich dort etwas vermitteln konnte. Das ist aber nicht vergleichbar mit der Arbeit und dem Engagement, die Lehrpersonen heute in der Volks­schule täglich leisten.

ist Schriftstellerin und promovierte Theaterwissenschaftlerin. Sie ist Mitglied der preisgekrönten Autorinnen­gruppe «Bern ist überall» sowie ­Kuratorin des Internationalen Lyrikfestivals Basel und tritt als Spoken-Word-Performerin mit dem Musiker und Klangkünstler Robert Aeberhard im Duo «Fitzgerald & Rimini» auf. 2017 erschien ihr Buch «Babylon Park», 2019 folgte «50 Hertz», eine CD mit ­Gedichtband. Für ihre Texte wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

Foto: Alexander Jaquemet

 

EDUCATION 4.23

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