Simone und Michael Stauffer sind Vollblut-Lehrpersonen der ersten Stunde. Nach vielen gemeinsamen Jahren an der Schule Sonnenhof in Bern haben sie aus Eigeninitiative die erste Berner Schulklasse mit Flüchtlingskindern aus der Ukraine unterrichtet.

Simone und Michael Stauffer sind seit 25 Jahren als Lehrpersonen tätig und haben dabei so einiges erlebt und ins Rollen gebracht. Angefangen hat alles im Schoss der Familie: «Wir sind beide in Familien mit Lehrerelternteilen aufgewachsen», erzählt Michael Stauffer. Bereits in der Kindergartenzeit setzte sich Simone mit dem Gedanken auseinander, selbst Kindergärtnerin zu werden. Bei Michael hat sich der Berufswunsch als Jugendlicher konkretisiert. Er besuchte das Lehrerseminar Muristalden in Bern, Simone das Kindergartenseminar an der Neuen Mittelschule (NMS) Bern. Im Osten Berns stiegen beide in den Beruf ein: Michael an der Schule Laubegg, später an der Primarschule Sonnenhof, Simone am Kindergarten Merzenacker.
Auf nach Westafrika
Kurz vor ihrem Start als Kindergärtnerin zog es Simone in die Lüfte, als Kinderbetreuerin für die damalige Swissair. «Mich lockte das Abenteuer. Reisen ist eine meiner Leidenschaften.» Die Flüge steuerten primär westafrikanische Destinationen an. Ab Ende 1998 unterrichtete sie dann sieben Jahre lang im Kindergarten Merzenacker. Zusätzlich führte sie Schulklassen durch das Museum für Kommunikation und unterrichtete Englisch für Kinder an der Volkshochschule. In dieser Zeit lernten sich Simone und Michael bei einem Ausflug der Schule Laubegg kennen. «Wir kamen im Zugabteil miteinander ins Gespräch und waren uns sympathisch. Aufgrund unterschiedlicher Anstellungen haben wir uns aber wieder aus den Augen verloren», erzählt Michael Stauffer. Er schrieb sich damals an der Universität Freiburg für ein Studium in Zeitgeschichte und Deutsche Literatur ein.
Lehrerehepaar im Klassenzimmer
Weil der Kindergarten Merzenacker wegen niedriger Kinder zahlen seine Tore schliessen musste, baute Simone Stauffer den Kindergarten im Schöngrün auf – und absolvierte die Zusatzausbildung zur Primarlehrerin. 2009 waren Simone und Michael – inzwischen verheiratet – dann beide als Lehrpersonen an der Schule Sonnenhof tätig, «ich in der 1./2. Klasse und Michael im Zyklus 2. So haben wir uns jeweils die Schulkinder übergeben», erzählt Simone. Nach sechs Jahren im selben Schulhaus haben sie sogar gemeinsam eine Klasse übernommen. «Das war eine bereichernde Zeit», sagt Michael Stauffer. «Eine Lehrperson aus dem Schulkreis äusserte sich skeptisch, wenn da ein Ehepaar eine Klasse übernimmt. Unsere Arbeit wurde von Kindern und Eltern aber gleichermassen geschätzt.» Dass ihr Unterricht positiv aufgenommen wurde, sei ihrer gemeinsamen pädagogischen Grundhaltung geschuldet gewesen, streicht Simone Stauffer hervor. «Wir sind beide mit viel Herz bei der Sache – und möchten das auf die Kinder übertragen. Wir legen viel Wert auf ein positives Klassenklima und auf die Beziehung zu Schülerinnen, Schülern und Eltern. Gleichzeitig sind wir Führungspersonen, die für klare, transparente Regeln einstehen. Wir begreifen das als Basis für einen motivierenden Unterricht und einen respektvollen, freudigen Umgang untereinander.» Getragen von dieser Grundhaltung sorgte das Ehepaar Stauffer dafür, dass die Kinder in der Schule auch ihr künstlerisches Potenzial ausleben konnten; etwa in der einladenden, ordentlichen Gestaltung des Klassenzimmers.
Erlebnisort Gemüsebeet
Das Ehepaar Stauffer hat in jener Zeit auch ein Gemüseprojekt aufgezogen: In Gemüsetruhen wurden Zucchetti, Tomaten oder Kürbisse angepflanzt. «Dank einem guten Rezept für Zucchettikuchen haben wir es geschafft, dass Ende Schuljahr alle Schülerinnen und Schüler auf Zucchetti abgefahren sind», sagt Michael Stauffer lachend. Ihre Begeisterung für die Natur führte dazu, dass sie mit der PHBern ein Tandem durchführten, wobei Studierende der Pädagogischen Hochschule in die Thematik von Schulgärten eingeführt wurden. Nebst dem Gemüseanbau hat Michael zuletzt einen Schulgarten realisiert, mit Igelbau und Barfusspfad. Kontinuität und Standortbestimmung So haben Simone und Michael Stauffer viele Jahre im gleichen Schulkreis, ja gar im selben Schulhaus unterrichtet – und dabei für Kontinuität gesorgt. 2021, nach der Coronazeit, haben sie ein Sabbatical eingelegt. «Wir wollten eine Standortbestimmung vornehmen», sagt Simone. An der Lenk haben sie in einem Hotel betrieb mitgearbeitet, einen Foodtruck unterhalten, aber auch Stellvertretungen übernommen.
Ukraine-Kinder-Unterricht
Im Frühjahr 2022 ist in der Ukraine dann Krieg ausgebrochen. Das veranlasste die beiden, sich beim Schulamt der Stadt Bern zu melden. «Wir wollten uns für ukrainische Flüchtlingskinder engagieren. Und haben kurz darauf die erste Intensivklasse mit Kindern aus der Ukraine unterrichtet», erzählt Michael Stauffer. «Am Standort Wylergut richteten wir mit Spielsachen, Kinderbüchern oder Büromaterial ein Klassenzimmer ein. Die Herausforderung bestand darin, Kinder zu unterrichten, die zunächst kein Wort Deutsch sprachen.» Eine anstrengende Zeit, geistig und körperlich. «Wir mussten viel vorzeigen, vormachen. Begriffe von Hand erklären, Klassenregeln vorspielen. Eine neue Erfahrung, für uns ebenso wie für die Kinder.»
Schulamt und Schulleitung
Noch im selben Jahr ergänzten die beiden ihren Unterricht mit Büroarbeit: Im Schulamt zeichneten sie für die Koordination der Intensivklassen für ukrainische Kinder verantwortlich. «Wir führten Aufnahmegespräche mit den Familien, haben Intensivkurse für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache aufgebaut und die Kinder in die Schulen der Stadt Bern eingeteilt.» Weiter bauten sie eine Schule auf und amteten dort als Schulleitungsteam. «Innert kürzester Zeit haben wir einen Kopierapparat, Büro- und Unterrichtsmaterialien oder eine Apotheke fürs Teamzimmer organisiert.» Eine überaus intensive Zeit. «Wir haben aus voller Kraft angepackt, sind aber an unsere Grenzen gestossen. Weil wir beide viel Herzblut in den Beruf stecken, kommt das immer mal wieder vor». Im Frühjahr 2023 haben sie die Verantwortung für die Intensivklassen schliesslich abgegeben, den Stab quasi weitergereicht. Heute arbeiten beide wieder in der Regelschule. Simone unterrichtet als Speziallehrperson in Kindergärten von Worblaufen und Ittigen, Michael wieder im Sonnenhof. «Trotz intensivem Berufsalltag scheint bei uns die Freude an der pädagogischen Arbeit zu überwiegen», sagen beide mit einem herzlichen Lachen im Gesicht.

Simone (47) und Michael Stauffer (46)
sind seit 25 Jahren als Lehrpersonen rund um die Stadt Bern tätig. Nach Ausbildungen am Lehrerseminar Muristalden bzw. an der NMS in Bern haben sie lange Zeit gemeinsam Primarklassen geführt, dabei ein Gartenprojekt ins Leben gerufen und sich später für die Schulbildung von Flüchtlingskindern aus der Ukraine starkgemacht.
Lukas Tschopp
Fotos: Pia Neuenschwander
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