Logo Kanton Bern / Canton de BerneEDUCATION

Susanna Scheurer: «Diese Schule ist ein Ort, an dem man einander wirklich begegnet – weil man es will»

Ich stehe früh auf, weil ich lieber am Morgen arbeite, als am Abend länger zu bleiben. Ich nehme auch nie «Büez» mit nach Hause. Oft gehe ich zu Fuss zur Arbeit. Mit dem Velo? Kein Thema, ich bin Fussgängerin. Auf dem Weg von meinem Könizer Zuhause in die Lerbermatt, höre ich Podcasts. True Crime. Die Tat interessiert mich daran am wenigsten, vielmehr die Vorgeschichte: Wie kommt es so weit, dass jemand zum Beispiel einen Mord begeht? Und was hat die Verurteilung des Täters bzw. der Täterin, mit dem ja die meisten Krimis enden, für Auswirkungen auf sein Umfeld und auf das des Opfers? Auf die Gesellschaft? – Psychologie finde ich spannend. Auch deshalb ist Patricia Highsmith bei mir Maturitätslektüre.

Ich bin Englischlehrerin mit Leib und Seele, meine Masterarbeit habe ich zum Thema «Sprache und Identität» geschrieben. Ursprünglich war mein Schwerpunktfach Spanisch. Nach der Matura habe ich vier Monate in Barcelona und ein halbes Jahr in London verbracht, danach war Englisch für mich als Studienhauptfach gesetzt. Es ist für mich die Sprache von Musik, Theater, Film – unerschöpflich. Zusätzlich habe ich Germanistik studiert. Das Lehrdiplom habe ich zwar für beide Fächer, aber Deutsch habe ich bisher noch nicht unterrichtet. An der PH fand ich vor allem das Modul Fachdidaktik hilfreich, davon konnte ich viel mitnehmen ins Berufsleben.

2017, gleich nach der PH, habe ich in der Lerbermatt angefangen. Wir sind ein Gymnasium und eine FMS – aber wir verstehen uns gemeinsam als eine Schule. Seit gut einem Jahr bin ich nun auch Konrektorin, nachdem eine Kollegin diesen Posten abgab, um wieder mehr zu unterrichten.

Hier ist vieles möglich. Die Schule wird partizipativ gestaltet, das Motto lautet: Probiers doch mal! In den Jahren als Lehrerin sah ich, dass es Möglichkeiten gibt, das grosse Ganze mitzuprägen, dass Initiative erwünscht ist. Wir sind zu acht, sechs Konrektorinnen und -rektoren, eine Rektorin und ein Rektor. Alle unterrichten auch selbst. Bei mir macht das knapp die Hälfte des Arbeitsvolumens aus. Es ist mir wichtig, da dranzubleiben, schliesslich ist das Unterrichten unser Kerngeschäft.

Ich habe ein Gefühl für diese Schule. 2009 habe ich hier die Matura gemacht. Mir hat es schon als Schülerin gefallen, dass man einander kennt im Gymnasium Lerbermatt, einander wirklich begegnet – weil man es will. Heute arbeite ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen daran, dies zu erhalten. Das ist nicht einfach, weil inzwischen fast doppelt so viele Jugendliche hier zur Schule gehen als zu meiner Zeit. Dazugekommen ist ausserdem der neue Standort Liebefeld. Die Grösse ist kritisch. Aber auch andere Faktoren leisten einer anonymeren Kultur Vorschub.

Wir haben momentan einen Pilotversuch zum Verzicht auf das Handy laufen: Verbunden ohne Netz. Im Unterricht ist das kein Problem, da gibt es Regeln. Aber in den Pausen sitzen sie alle wie Spatzen auf einer Stromleitung, gamen oder kommunizieren via Smartphone miteinander. Das verhindert echte Begegnung. Wir möchten aber nicht mit Verboten arbeiten, die dann ja auch Strafen nach sich ziehen würden. Vielmehr versuchen wir, das Thema wissenschaftlich anzugehen, mit den Schülerinnen und Schülern anzuschauen, was das Handy mit ihnen macht, kognitiv, sozial.

Für mich selbst ist es wichtig, jeden Tag mit allen Kolleginnen und Kollegen zu sprechen, deshalb mache ich Kaffeepause im Sekretariat und esse mittags mit den anderen Lehrpersonen – die meisten sind da dabei. Weitere Berufsziele? Träume? Im Moment nicht. Es ist gerade alles genau so, wie ich es haben möchte.

Susanna Scheurer (35)

 ist Konrektorin und Englischlehrerin am Gymnasium Lerbermatt in Köniz bei Bern. Sie arbeitet 80 Prozent und ist neben der Klasse, die sie unterrichtet, für Kommunikation, Sonderwochen, BNE und Austauschschüler/-innen zuständig. Am liebsten ist sie zu Fuss unterwegs.

Tina Uhlmann

 

EDUCATION 4.25

Seite teilen