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Jürg Wüthrich: «Die eigene Erfahrung treibt mich an, die Jugendlichen von heute besser zu fördern»

Das Hornussen begleitet mich schon seit meiner Jugend. Unser Verein in Burgdorf schaffte es früher bis die Nationalliga B; heute spielen wir in der 3. Liga. In meiner Kindheit habe ich viele Sportarten ausprobiert. Am liebsten wäre ich zum Eishockey gegangen, doch das lag für unsere Familie finanziell nicht drin.

Meine beiden Brüder spielten Fussball, und ich landete auf Umwegen beim Volleyball. Dort legte ich als Jugendlicher einen steilen Aufstieg hin: Bereits im zweiten Trainingsjahr kam ich in die Kantonsauswahl – und wenig später auf den Radar des Nationaltrainers. Für ein Jahr gehörte ich der Schweizer Jugendnati an, doch mit dem Beginn der Kochlehre – meiner Erstausbildung – ging das nicht mehr. Eine Sportlerkarriere hatte ich damals zwar nicht im Sinn. Doch wäre mein Weg wahrscheinlich anders verlaufen, hätte es bereits damals ein Talentförderprogramm gegeben. Der etwas wehmütige Blick zurück ist für mich ein Antrieb, den Jugendlichen heute bessere Voraussetzungen zu verschaffen.

Zum Lehrerberuf kam ich dank eines tollen Berufsschullehrers, der mich während der Lehre zu einer Zweitausbildung motivierte. Er fand, ich sei an der Gewerbeschule unterfordert, und gab mir die Unterlagen für das damalige Haushaltungslehrerinnenseminar in Bern.

Tatsächlich schaffte ich die Aufnahmeprüfung, und man erliess mir als gelerntem Koch sogar das Praxisjahr.

Direkt nach dem Seminar bewarb ich mich 1997 in Burgdorf für die Stelle eines Hauswirtschaftslehrers. Ich erhielt den Job – und bin bis heute an der Oberstufe Gsteighof geblieben. Lustigerweise unterrichtete ich als Klassenlehrer im gleichen Zimmer, in dem ich schon als Kind die Schulbank gedrückt hatte.

Als mich der damalige Schulleiter 2010 fragte, ob ich in Burgdorf ein vom Kanton lanciertes Programm zur Talentförderung aufbauen wolle, sagte ich sofort zu. Hilfreich beim Einstieg waren die Kontakte nach Langenthal, wo mein ehemaliger Volleyballtrainer die gleiche Funktion innehatte. Seit 2022 bin ich Co-Leiter der regionalen Koordinationsgruppe Talent Oberaargau-Emmental. Unsere Perspektive bringe ich wiederum in die kantonale Steuerungsgruppe ein.

In den Anfängen musste ich als Koordinator noch selbst beurteilen, ob jemand als förderungswürdig gilt. Heute läuft zum Glück alles zentral über das kantonale Tool bernertalent.ch. Bewerben können sich Talente aus den Bereichen Sport, Musik und Tanz. In der Region organisieren wir Elternabende, um das Programm möglichst breit bekannt zu machen – über die Verbände hinaus, die ihre Nachwuchstalente ohnehin melden.

In Burgdorf integrieren wir pro Jahrgang rund zehn Talente in die Oberstufenklassen. Als Koordinator bringe ich alle Beteiligten an einen Tisch: die Schülerin oder den Schüler, die Eltern und allenfalls die Lehrpersonen. Dabei besprechen wir, welche Unterstützung nötig und sinnvoll ist. Ich kann die Jugendlichen für bis zu zwölf Lektionen vom Unterricht dispensieren und ihnen Lernbegleitung zuteilen. Im Gegenzug erwarten wir ein entsprechend gutes Verhalten. Die Abmachungen halten wir in einer gemeinsam unterzeichneten Charta fest.

Nicht alle Talente schaffen später den Durchbruch. Doch unter den mehr als 200 Jugendlichen, die seit 2011 das Förderprogramm in Burgdorf durchlaufen haben, gibt es ein paar schöne Erfolgsgeschichten: Ein ehemaliger Schüler gehört inzwischen zur Elite der Schweizer Sportkletterer; ein weiterer hat als Unihockey-Spitzenspieler des SV Wiler-Ersigen kürzlich einen Profivertrag in Schweden erhalten. Und eine frühere Schülerin arbeitet heute als Tanzlehrerin und Choreografin.

Ich selbst bin dem Volleyballsport bis vor wenigen Jahren treu geblieben – als Trainer und Nachwuchschef bei verschiedenen Eliteklubs sowie im Rahmen von Jugend+Sport. Heute verbringe ich meine freie Zeit wieder vermehrt beim Hornussen, oder ich gehe mit den Hunden auf Trüffelsuche.

Jürg Wüthrich (52)

ist Oberstufenlehrer und koordiniert seit 2011 die Talent förderung an der Volksschule Burgdorf. Das Programm liegt dem Sportbegeisterten am Herzen. Als Jugendlicher hätte er gerne selbst davon profitiert – nun ebnet er heutigen Talenten den Weg. 

Theodora Peter

 

EDUCATION 4.25

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