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Zum ewigen Frieden

In einer Zeit globaler Unsicherheiten ist die Friedenspädagogik ein wichtiges Instrument, um die nächste Generation auf die Übernahme von Verantwortung für den Frieden vorzubereiten. Denn dieser, so hat es die Geschichte immer wieder gelehrt, ist kein zufälliges Geschenk, das man ohne Anstrengung erhält.

Dass der Frieden selbst in Europa keine Selbstverständlichkeit darstellt, ist uns bereits durch die Sezessionskriege der 1990er-Jahre auf dem Balkan und jüngst mit dem Einmarsch russischer Truppen in den Donbass wieder schmerzhaft in Erinnerung gerufen worden. Die Folgen der weltweiten Konflikte spiegeln sich denn auch in der kulturellen Vielfalt unserer Schulklassen wider.

Kants Schlüssel zum Frieden

Das Bewusstsein, dass der Friedenszustand zwar wünschenswert, aber fragil ist und Krieg nicht «die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln»1 sein kann, ist uns mittlerweile bewusst, hat aber schon den grossen Philosophen des Deutschen Idealismus Immanuel Kant dazu bewogen, einen Friedensentwurf2 auf den Säulen von Recht und Gerechtigkeit im Rahmen von Demokratie3 und Fortschritt zu formulieren. Fortschritt bedeutet bei Kant zuallererst Rechtsfortschritt auf der Grundlage von Vernunft und Moral. Der Königsberger entwirft denn auch eine internationale Friedensordnung, die auf einem System von Republiken und der Herrschaft des Rechts sowie der Freiheit und Gleichheit aller Menschen beruht. Als Hüter über diese universelle Rechtsordnung, in der Streitigkeiten friedlich gelöst werden, soll ein Völkerbund wachen.4

Kant anerkennt, dass der grosse Frieden nur geschlossen werden kann, wenn er auch im Kleinen gelebt wird: «Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.»5 Der kategorische Imperativ als Handlungsanleitung für ein friedliches Zusammenleben kann bereits in der Schule erlernt werden. Eine zentrale Rolle im Streben nach Frieden sieht er in der Aufklärung. Durch die pädagogische Vermittlung von Werten der Toleranz und des Respekts, von Fairness und Verständigung lernen die Heranwachsenden, dass Menschen niemals nur als Mittel, sondern immer auch als Zweck an sich selbst behandelt werden sollen. Dieser Aufklärungsansatz soll Schülerinnen und Schüler nicht nur theoretisch orientieren, sondern auch praktisch erfahren lassen, wie sie durch ihr tägliches Handeln und ihre Entscheidungen zur Verwirklichung dieses Ideals beitragen können.

Frieden im Lehrplan

Zu lernen, wie Frieden geht, heisst also nicht nur, zu wissen, wie die Mechanismen der Kriegshegung funktionieren. Vielmehr geht es auch darum, den Lernenden ein Bewusstsein dafür beizubringen, wie sie aktiv dazu beitragen können, eine friedlichere und gerechtere Welt zu schaffen. Im Lehrplan 21 wurde im Rahmen der «Bildung für Nachhaltige Entwicklung» als Leitidee für die Entwicklung der Gesellschaft das Themenfeld «Globale Entwicklung und Frieden» aufgenommen. Als eines von sieben fächerübergreifenden Motiven ist es in die Fachbereichslehrpläne «Natur, Mensch, Gesellschaft», «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» sowie «Räume, Zeiten, Gesellschaften» eingearbeitet, ebenso gibt es enge Anknüpfungspunkte zum Themenfeld «Politik, Demokratie und Menschenrechte».

Für die Ausbildung ihrer Konfliktlösungsfähigkeiten ist es für die jungen Menschen einerseits wichtig, sich mit den unterschiedlichen Lebensbedingungen und Lebensweisen anderer Kulturen und Traditionen auseinanderzusetzen, um Verständnis für die Vielfalt menschlicher Erfahrungen und Überzeugungen aufzubringen, andererseits sollen sie die Dynamiken wie Ressourcenkonflikte, Armut und Migration kennenlernen, die zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen. Zur Friedenspädagogik gehören auch der gemeinsame Aufbau von friedenserhaltenden Werten und Haltungen wie Empathie, Respekt, Gerechtigkeit und Verantwortungsbewusstsein sowie die Förderung von Zivilcourage und sozialem Engagement ebenso wie die Ermutigung, aktiv an der Gestaltung einer friedlicheren Gesellschaft teilzunehmen.

Schulen fungieren demgemäss als Friedensaufklärer, indem sie die Wirkungsweisen von Friedensbemühungen vermitteln, gleichzeitig bilden sie einen Hort des gelebten Miteinanders, indem sie selbst Konfliktbewältigungsstrategien und Konfliktpräventionsmassnahmen anwenden.

Frieden in der Praxis

Neben Theorie- und Wissensvermittlung ist die praktische Anwendung in den Klassenzimmern zentral. So kann bereits im Kleinen die Selbstwirksamkeit geübt werden, indem Konfliktverhinderungsstrategien am eigenen Umfeld getestet werden. Praxisorientiert ist zum Beispiel das Gewaltpräventionsangebot «Chili» des Schweizerischen Roten Kreuzes. Junge Menschen lernen im Klassentraining, wie man überhaupt eine Streitkultur entwickelt und wie Konflikte in der Schule und am Arbeitsplatz konstruktiv bearbeitet werden können. Das stärkt die Kommunikations- und Sozialkompetenzen. Dabei werden den Schülerinnen und Schülern Kommunikationsstrategien an die Hand gegeben, die ihnen helfen, Missverständnisse auszuräumen und Konflikte konstruktiv anzugehen.

Ein weiteres Beispiel ist die «Friedensbrücke», die an der OS Zulg in Steffisburg mit grossem Erfolg praktiziert wird. Die Kinder lernen, die Konsequenzen von Konflikten zu reflektieren und darauf zu achten, wie diese in Zukunft vermieden werden können. Wir sind dabei, wenn eine 6. Klasse in einer 3. Klasse einen solchen mediativen Brückenschlag wagt (Seiten 22/23).

Auf den Seiten 20/21 können Sie wiederum nachlesen, wie eine Basisstufenklasse in Bern-Bümpliz mit dem sogenannten SEE Learning neue Ansätze verfolgt, um den Frieden im Klassenzimmer zu gewährleisten. Das Programm setzt auf die Schulung der Aufmerksamkeit, der Resilienz und der Selbstregulierung auf der Basis des Mitgefühls. Ein weiterer interessanter Beitrag kommt schliesslich aus unserem französischsprachigen Kantonsteil, wo in Zusammenarbeit mit Schulklassen ein humanitäres Projekt zur Minenräumung in der Ukraine angelaufen ist (Seiten 16/17).

Mit Engagement zum Frieden

Frieden ist in allen Teilen der Welt ein rares Gut, das ständiger Pflege und Aufmerksamkeit bedarf. In Berner Schulzimmern wird mit viel Engagement ein grosser Beitrag zur Friedensförderung im Kleinen wie im Grossen geleistet; ein Beitrag, der im Idealfall weit über die Volksschulzeit Bestand hat. Die pädagogische Ausrichtung ist integral, sowohl präventiv als auch proaktiv, indem man sich mit aktuellen Konflikten auseinandersetzt und gleichzeitig darauf abzielt, zukünftige Konflikte durch Bildung und Aufklärung zu verhindern. Darum dürfen wir uns auch von den vielen unaufgeregten Geschichten der Menschlichkeit inspirieren lassen, die wir uns tagtäglich selbst schaffen. Der Frieden ist eine grosse Herausforderung, doch mit unserer kontinuierlichen Bildungsarbeit ist er eine, die wir mit Tatkraft und Hingabe meistern können.

Wie Staaten den Frieden lernen

Sprechen wir von Frieden, tun wir dies oft im Glauben, er wäre der Normalzustand im Zusammenleben der Völker und Nationen. Doch das war in der gesamten Menschheitsgeschichte nie der Fall.6 Erst mit der Gründung der Vereinten Nationen nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs wurden strukturierte internationale Mechanismen zur Friedenssicherung etabliert. Die Vereinten Nationen haben sich dabei der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit verschrieben, wobei ihre Charta den völkerrechtlichen Rahmen bietet, innerhalb dessen Staaten angehalten werden, Frieden zu wahren und zu fördern. Die Koexistenz der Staaten beruht auf folgenden Prinzipien:

1. Friedliche Beilegung von Streitigkeiten (Art. 23 UN-Charta): Die Staaten werden ermutigt, internationale Streitigkeiten durch friedliche Mittel zu lösen. Methoden der friedlichen Streitbeilegung umfassen Verhandlungen, Mediation, Schlichtung, Schiedsverfahren und gerichtliche Entscheidungen. Durch diese Prozesse lernen Staaten, Konflikte gewaltfrei zu lösen.

2. Internationale Zusammenarbeit (Art. 13 UN-Charta): Der Fokus wird auf die internationale Zusammenarbeit in wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und humanitären Bereichen gerichtet, wodurch die Grundlagen für eine stabile Staatengemeinschaft gelegt werden. Staaten lernen, gemeinsame Interessen zu identifizieren und zusammenzuarbeiten, um breitere Ziele zu erreichen, die den Frieden unterstützen.

3. Prinzipien der Souveränität und der Nichteinmischung (Art. 21 und 27 UN-Charta): Sie fördern den gegenseitigen Respekt und vermindern die Wahrscheinlichkeit aggressiver Handlungen, indem sie ein System der Gleichberechtigung und Unabhängigkeit unter den Nationen schaffen.

4. Gewaltverbot (Art. 24 UN-Charta): Als zwingendes Völkerrecht stellt das Verbot einen der Grundpfeiler des modernen Völkerrechts dar, weil es den Staaten verbietet, ihre internationalen Auseinandersetzungen durch Gewalt
zu lösen, dies schliesst jede Form von Gewaltanwendung oder -androhung aus.

5. Kollektive Sicherheit (Kapitel VII UN-Charta): Durch Sanktionen, Friedenserhaltungsmissionen und falls nötig militärische Eingriffe zur Friedenserzwingung unterstützt der UN-Sicherheitsrat die Staaten bei Befriedungsmassnahmen. Staaten lernen durch die Sicherheitsratsresolutionen, wie internationale Reaktionen auf Friedensbrüche koordiniert werden und was es bedeutet, die Koexistenzgrundsätze der Weltgemeinschaft zu verletzen.

6. Universelle Werte und Menschenrechte: Durch internationale Abkommen und Überwachungsmechanismen lernen Staaten, wie wichtig die Einhaltung von Fundamentalrechten für den Erhalt des Friedens ist.

Insgesamt dient die UN-Charta der Vereinten Nationen als ein Lehrwerkzeug und Rahmen für Staaten, um Praktiken und Strategien für den Frieden zu entwickeln und umzusetzen. Sie bildet die rechtliche und moralische Grundlage für eine internationale Ordnung, die auf Kooperation, rechtliche Gleichheit und friedliche Konfliktlösung ausgerichtet ist.

Positiver Frieden

Hatte man durch die industrialisierte Massentötung in den beiden Weltkriegen bereits erfahren, dass der Krieg ganze Generationen auslöschen kann, so ist uns spätestens seit der Nuklearisierung der Drohkulisse im Kalten Krieg bewusst geworden, dass ein Konflikt potenziell die gesamte Menschheit auslöschen kann. Diese existenzielle Angst hat die Debatte um die Staatenverantwortlichkeit nachhaltig geprägt und auch die Frage nach einem erweiterten Friedensbegriff aufgeworfen, der im modernen Verständnis tatsächlich zu mehr geworden ist als die blosse Abwesenheit von Krieg, und Friedenssicherung ist heute mehr als Kriegshegung.

Der positive Frieden, wie er von Johan Galtung, dem Gründungsvater der Friedens- und Konfliktforschung, bedeutet vor allem Anwesenheit von sozialer Gerechtigkeit. So sollten Friedensbemühungen primär darauf abzielen, Konfliktursachen wie strukturelle Ungleichheit und Unterdrückung zu adressieren. Er betont die Notwendigkeit, Bedingungen zu schaffen, die nachhaltige gesellschaftliche Entwicklungen fördert, die Teilhabe am wirtschaftlichen Aufschwung sowie Prosperität für alle sicherstellt, die politische Partizipation und die Unabhängigkeit der Institutionen stärkt, die Menschenrechte schützt und die internationalen Beziehungen verrechtlicht.7
 

1 Carl von Clausewitz (1832): Vom Kriege. Buch I, Kapitel 1, Abschnitt 24.
2 Immanuel Kant (1795): Zum ewigen Frieden. In: Kants gesammelte Schriften. Ausgabe der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
3 Kant ist ein Verfechter des demokratischen Friedens, der besagt, dass Demokratien aufgrund der Unpopularität von Kriegshandlungen prinzipiell Konflikte gewaltlos austragen und so einen Garanten für ein stabiles Staatensystem darstellen. Dieser Befund wurde später empirisch belegt.
4 Kant nimmt damit die Installation des Völkerbunds 1920 und der Vereinten Nationen 1945 vorweg.
5 Immanuel Kant (1785): Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. In: Kants gesammelte Schriften. Ausgabe der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
6 Im Jahr 2022 registrierte das Konfliktbarometer des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung insgesamt 363 Konflikte weltweit, 60 Prozent von ihnen wurden gewaltsam ausgetragen (Quelle: https://hiik.de/konfliktbarometer/aktuelle-ausgabe/).
7 Johan Galtung (1969): Violence, Peace, and Peace Research. In: Journal of Peace Research, 6(3), 167–191.

Pour un paix durable

Dans un contexte géopolitique instable, enseigner la culture de la paix constitue un instrument central pour préparer la future génération à assumer ses responsabilités et ainsi garantir la paix tant dans son environnement direct qu’à l’échelle du monde. En effet, comme l’histoire ne cesse de nous le montrer, la paix ne s’obtient pas sans effort, et ce travail doit commencer dès l’école. Dans les classes du canton de Berne, un accent particulier est mis sur l’enseignement de la promotion de la paix, à petite comme à grande échelle. Un effort qui porte ses fruits bien au-delà de l’enceinte de l’école. Cet enseignement, tant préventif que proactif, est complet puisqu’il porte sur des conflits actuels, tout en ayant pour but d’éviter de futurs conflits par la formation et la sensibilisation. C’est pourquoi il est nécessaire que nous puisions l’inspiration dans les nombreuses histoires de paix et d’humanité que nous écrivons chaque jour à notre échelle. La résolution des conflits et le maintien de la paix représentent un défi de taille que nous pouvons relever grâce à notre volonté, à notre persévérance et à nos efforts répétés de formation.

Christoph Schelhammer
Generalsekretariat
Kommunikation

Illustration: büro z

 

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