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Wenn das gemeinsame Znüni zum Schulhaus-Event wird

In der Stadt Bern bieten neun Volksschulen ein monatliches Schulhaus-Znüni auf dem Pausenplatz an – darunter das Schulhaus Wankdorf. Um die Vorbereitung kümmern sich engagierte Elterngruppen jeweils zusammen mit einer Schulklasse. Zu Besuch beim «Wanki-Znüni».

Ein herbstlicher Donnerstagmorgen im Berner Nordquartier. Im Aufenthaltsraum der Tagesschule Wankdorf herrscht um 8.30 Uhr ein emsiges Treiben. Nachdem alle Hände gründlich gewaschen sind, gruppieren sich die Schülerinnen und Schüler der Klasse 3/4c zusammen mit einem Dutzend Erwachsenen rund um die Tische, auf denen die Znüni-Zutaten ausgelegt sind:  mehrere Kilo Brotlaibe, Cracker, Frisch- und Hartkäse, Aufschnitt, saisongerechte Früchte und Gemüse. Einen Thonaufstrich hat Andrea Mordasini bereits am Vorabend zu Hause vorbereitet.

Die Co-Verantwortliche der Elterngruppe ist seit sieben Jahren bei der Organisation des «Wanki-Znüni» dabei. Obwohl ihre eigenen Kinder nicht mehr im Wankdorf zur Schule gehen, engagiert sich die Mutter nach wie vor für den monatlichen Schulanlass. «Ich mache es einfach gerne», sagt die 51-Jährige mit einem breiten Lachen. «Als extrovertierter Mensch mag ich Kontakte.» Besonders schön sei es, «die Freude und Dankbarkeit» der Schülerinnen und Schüler zu erleben. So kommt es hin und wieder vor, dass Andrea Mordasini unterwegs im Quartier von Kindern erkannt und auf das «Wanki-Znüni» angesprochen wird.

Insgesamt engagieren sich 16 Elternteile freiwillig beim Znüni – mehrheitlich sind es Mütter. Eine von ihnen hat bereits am Vortag zusammen mit Andrea Mordasini den Einkauf im Rahmen eines festgelegten Budgets erledigt. Vor Ort teilen sich die Erwachsenen die verschiedenen Aufgaben auf und mischen sich unter die Schülerinnen und Schüler. An einem der Tische hilft ein junger Vater beim Brotebestreichen. Was motiviert ihn zum Mit machen? «Ich möchte mich für die Schule engagieren, und mir gefällt, dass ich hier andere Eltern kennenlerne.»

 

Den Kindern gefällts – und sie lernen viel

Den Schülerinnen und Schülern, die an einem anderen Tisch Gemüse und Früchte klein schneiden, scheint die Abwechslung vom üblichen Schulalltag Spass zu machen. Alle nicken auf die Frage, ob ihnen die Znüni-Vorbereitung gefällt. Ein Viertklässler präsentiert stolz den praktischen Apfelteiler, mit dem er die Frucht mühelos in gleich grosse Stücke zerschneidet. Am Nachbartisch, wo Brote und Cracker bestrichen werden, müht sich ein Mitschüler mit einem harten Butterstück ab. «Eigentlich würde ich lieber Brot schneiden», räumt der Bub ein. Doch das Bedienen der elektrischen Schneidemaschine bleibt heute den Erwachsenen vorbehalten.

Noch warten Dutzende Brotscheiben darauf, mit Käse, Fleisch oder Thon belegt zu werden. Denn für das heutige «Wanki-Znüni» wird ein Grossandrang erwartet: Das erste Znüni nach Beginn des neuen Schuljahres wird allen Schülerinnen und Schülern offeriert. Eine Anmeldung mit einer Kostenbeteiligung von 1.50 Franken pro Kind und Znüni wird erst ab dem zweiten Quartal verlangt. Bis dahin werden die Eltern einen Brief mit den entsprechenden Informationen erhalten haben. Im Durchschnitt melden sich rund 150 Kinder für die monatliche Pausenverpflegung an – dies entspricht einer Teilnahmequote von über 80 Prozent. Das Angebot richtet sich vorab an Schülerinnen und Schüler von der Basisstufe bis zur 6. Klasse, steht aber auch der Oberstufe offen.

Für die Znüni-Zubereitung wechseln sich die Klassen im Turnus ab. Dieses Mal ist die Reihe an der Klasse 3/4c. Weil es heute mehr zu tun gibt als üblich, erscheint Lehrerin Lea Schmid mit allen 18 Schülerinnen und Schülern. Üblicherweise kommt eine halbe Klasse zum Einsatz, während die anderen Kinder im Schulzimmer unterrichtsspezifische Aufgaben erledigen. Heute packt die ganze Klasse bei der Znüni-Vorbereitung mit an. Mit dabei ist auch die Heilpädagogin und eine Praktikantin. Deren Präsenz ermöglicht es der Klassenlehrerin heute, individuell mit den Schülerinnen und Schülern am Schulstoff im Fach Französisch zu arbeiten. Dazu holt Lea Schmid jedes Kind kurz von den Znüni-Vorbereitungen weg. Zwar entfällt während einer Doppellektion der klassische Unterricht, aber die Lehrerin ist überzeugt, dass die Kinder bei der Znüni-Vorbereitung enorm viel lernen: von der Lebensmittelhygiene über das Rüsten von Gemüse bis hin zum Berechnen von Mengen und zum Kennenlernen von Lebensmittelunverträglichkeiten. «Darüber hinaus üben sie, Anweisungen von anderen Personen entgegenzunehmen.»

Gesund und sozial

Inzwischen füllen sich die grossen Servierplatten mit Dutzenden von belegten Broten, bestrichenen Crackern, geschnittenen Karotten und Gurken, Apfel-, Bananen- und Mangostücken sowie Tomaten-Mozzarella-Oliven-Spiesschen. Bis zum Beginn der grossen Pause um 9.50 Uhr bleibt der Elterngruppe noch etwas Zeit für einen gemeinsamen Kaffee und einen Schwatz. Heute ist Andrea Schneider von der Stadtberner Fachstelle für schulische Gesundheitsförderung und Prävention zu Besuch. Die Ernährungspsychologin koordiniert die Initiativen zu Ernährung und Bewegung und hält regelmässig Kontakt zu Schulen und Elterngruppen. Aus ihrer Sicht geht es nicht nur darum, dass die Kinder dank ausgewogenem Essen den Schulalltag fit und konzentriert bewältigen. «Die Mahlzeiten schaffen auch soziale Momente: Die Kinder essen und trinken gemeinsam und tauschen sich untereinander aus.»

Als wenig später im Wankdorf-Schulhaus die grosse Pause eingeläutet wird, strömen die Kinder und Jugendlichen direkt zum gedeckten Platz, wo das Znüni-Buffet aufgebaut wird. Noch ist für die hungrigen Mägen Geduld gefragt. Lehrerin Lea Schmid stellt sich auf eine Betonbank, ergreift das mitgebrachte Megafon und begrüsst die versammelten Schülerinnen und Schüler zum ersten «Wanki-Znüni» des neuen Schuljahres. Dabei erinnert sie an die Spielregeln – etwa, dass Hamstern unnötig ist. «Ihr könnt euch gerne später ein zweites oder drittes Mal bedienen.»

Bald greifen Dutzende kleine und grosse Hände zu. Am schnellsten weg sind die belegten Brote, und auch die handlichen Cracker-Sandwiches sind bei den Kindern äusserst beliebt. Nach dem ersten Andrang lichten sich die Reihen. Wer noch mag, kehrt ein weiteres Mal ans Buffet zurück. Übrig bleiben am Schluss zwei Tabletts mit geschnittenem Gemüse und geschnittenen Früchten, die später im Lehrerzimmer zum Verzehr angeboten werden. Es sei selten, dass nicht alles aufgegessen werde, sagt Andrea Schneider. «Die Mengenberechnung war heute schwieriger, weil keine Anmeldung nötig war.»

Finanziert durch Elternbeiträge

Die Fachstelle schulische Gesundheitsförderung und Prävention stellt Beispiele von Einkaufslisten mit Mengenangaben für jeweils 100 Kinder zur Verfügung – wie auch eine bereits vor programmierte Excel-Liste. Interessierte finden diese online (siehe Kasten). Die Schulhaus-Znüni finanzieren sich vollumfänglich aus den erhobenen Elternbeiträgen – mit Ausnahme der ersten Durchführung pro Schuljahr. Dann wird das Znüni aus Mitteln der Schule oder der Stadt bezahlt. Eine pauschale Abgeltung gibt es für die einmalige Beschaffung von Materialien wie Schneidebrettern und Rüstmessern.

Nach der grossen Pause kehrt im Wankdorf der normale Schulalltag ein. Die meisten Eltern sind nach dem Aufräumen schon auf dem Heimweg. Co-Organisatorin Andrea Mordasini steht mit zwei Kolleginnen noch in der Küche und wäscht die  letzten Serviertabletts ab. Sie freut sich auf den nächsten Einsatz am «Wanki-Znüni».

Gesundheitsprojekt mit Elternmitwirkung

Das gesundheitsfördernde Schulhaus-Znüni mit Einbezug der Eltern besteht in der Stadt Bern seit zehn Jahren. Erstmals durchgeführt wurde es im Schuljahr 2012/2013 im Schulhaus Wittigkofen. Seither haben acht weitere Schulen das Angebot eingeführt – darunter das Schulhaus Wankdorf. Die Projektverantwortliche der Fachstelle schulische Gesundheitsförderung und Prävention begleitet die Schulen in den ersten eineinhalb bis zwei Jahren – vom Aufbau bis zur Umsetzung. Voraussetzungen für ein Gelingen sind der Einbezug aller Beteiligten, vertrauensvolle und verlässliche Beziehungen sowie eine Kommunikation auf Augenhöhe. Das Schulhaus-Znüni soll zu einer langfristigen Auseinandersetzung mit dem Thema einer gesunden und ausgewogenen Zwischenverpflegung anregen. Weiter fördert die Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern ein gutes Schulklima. Die Fachstelle initiiert auch Angebote für spezifische Altersklassen – etwa eine Znüni-Box für die Basisstufe sowie einen Pausenkiosk für Jugendliche der Oberstufe.

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Theodora Peter

 

EDUCATION 4.23

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