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Eltern und Schule im Dialog

Die Rolle der Eltern in der Bildungsbiografie ihres Nachwuchses ist vielschichtig. Damit zum Wohl aller Kinder ein konstruktives Miteinander entstehen kann, ist ein ausgewogener Dialog zwischen Eltern und Lehrpersonen essenziell. Eine starke Partnerschaft zwischen Erziehungs- und Bildungsverantwortlichen trägt dazu bei, die Schule als Identifikationsort für die Entwicklung der Heranwachsenden zu verstehen.

Ob als Begleitperson auf der Schulreise oder als Bühnenbildnerin für die grosse Schulaufführung, ob als lokaler Zulieferer des Znünistands oder als Informationsdelegierte für einen Sprach- und Kulturkreis, die Möglichkeiten der Elternmitwirkung sind so vielfältig wie die Schulen selbst. Zahlreiche Erziehungsberechtigte engagieren sich überdies in Gremien, kümmern sich ehrenamtlich um die Sicherheit auf dem Schulweg oder organisieren Elterntreffen. Mit der Elternkooperation fördern die Schulen eine offene Kommunikation und ermöglichen es Vätern und Müttern, Einblick in die Schulentwicklung zu nehmen, am Bildungsprozess ihrer Sprösslinge teilzunehmen und Verbündete in der pädagogischen Zielsetzung der Schule zu werden. Das stärkt die Schulgemeinschaft.

Von der Autorität zur Partizipation

In den letzten Dekaden habe sich die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule grundlegend verändert, stellt der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) in seinem Positionspapier fest.1 Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Bildungs- und Erziehungsmassnahmen der oftmals von kirchlichen Instanzen geführten Institute vom Elternhaus vorbehaltlos unterstützt und als domaine réservé der Schule angesehen. Auch wenn durch die gesellschaftlichen Umwälzungen im 19. Jahrhundert die Bildung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war, blieb das Selbstverständnis der Lehranstalten noch lange Zeit von Obrigkeitshörigkeit und Autonomie geprägt. Der Unterricht war direktiv, disziplinorientiert und undurchlässig, die geschlossenen Schulsysteme erlaubten kaum elterliche Interaktion oder gar Mitsprachemöglichkeiten.

Das änderte sich mit den sozialen Umbrüchen in den 1960erJahren: Der Wandel in den pädagogischen Theorien führte zu Bildungsreformen, die darauf abzielten, die Bildung inklusiver zu gestalten, die Rolle der Schülerinnen und Schüler zu stärken und die Eltern als aktive Partnerinnen und Partner mehr in den Bildungsprozess ihrer Kinder einzubinden. Dialogorientierte Kooperationsansätze und partizipative Modelle sind heute populär und belegen das gesellschaftliche Bedürfnis, an der pädagogischen Gestaltung der Zukunft teilzuhaben.

Zwischen Freiheit und Chancengleichheit

Es liegt in der Natur der Sache, dass Eltern frei und eigenverantwortlich für die Entwicklung und das Wohl ihrer Kinder sorgen, so ist es vom Gesetzgeber auch vorgesehen. Im Bildungsbereich sind der elterlichen Einflussnahme jedoch aufgrund institutioneller und bildungspolitischer Vorgaben gewisse Grenzen gesetzt. Denn wegen der Interessenkollisionen zwischen individuellen Freiheitsrechten auf der einen und dem Kollektivanspruch auf

Chancengleichheit auf der anderen Seite gilt im Sinn gleichberechtigter Bildungschancen, dass alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft den gleichen Zugang zu Bildung und den damit verbundenen Möglichkeiten erhalten. Und so endet in der Volksschule die elterliche Wahlfreiheit bei der Wahl der Lehrkraft.2

Mit anderen Worten: Während die Eltern sich vornehmlich um die Belange ihr Sprösslinge sorgen sollen, haben sich die Lehrpersonen von Gesetzes wegen um jene des Klassenverbunds und alle ihnen anvertrauten Kinder zu kümmern, ohne die jeweilige individuelle Entwicklung zu vernachlässigen. Es liegt aber auch in der Natur der Sache, dass das bestmögliche Bildungsergebnis für den eigenen Nachwuchs nicht zwingend mit jenem aller Kinder übereinstimmen muss. Diesen Drahtseilakt zwischen den verschiedenen Interessen haben die Lehrpersonen inner- und ausserhalb der Schulzimmer tagtäglich zu vollführen.

Zwischen Anspruch, Erwartung und Notwendigkeit

Während die Schule in erster Linie einen Bildungsauftrag hat, obliegt es den Erziehungsberechtigten, für ebendiese Erziehung zu sorgen. Mit ihrem gesteigerten Mitwirkungsanspruch werden die Grenzbereiche bisweilen angeritzt. Die Erwartungen an die Lehrpersonen steigen, womit die heutige Elternzusammenarbeit aus ihrer Sicht «deutlich anspruchsvoller und differenzierter geworden» ist (ebd.). Traditionell dreht sich der elterliche Teilhabeanspruch in der Leistungsgesellschaft um Hausaufgaben, Promotion, Einschätzung von Potenzialen sowie Disziplin. Dabei haben Schulleitungen und Lehrpersonen durchaus einen gewissen Gestaltungsraum, um auf die Elternanliegen einzugehen und gemeinsame Lösungsansätze zu adressieren, solange die pädagogische Autonomie nicht untergraben wird. Lesen Sie zu einem toleranten und respektvollen Eltern-Lehrpersonen-Umgang unseren Praxisbeitrag «Am gleichen Strick ziehen» auf Seite 18, der aufzeigt, wie eine dialogische, vertrauensbildende Kommunikation auf Augenhöhe zwischen allen Beteiligten den Bedürfnissen der Heranwachsenden am ehesten gerecht werden kann.

Erwartungsgemäss variiert die Notwendigkeit der Elternbeteiligung und damit auch die Ansprüche der Eltern an die Schule zwischen den verschiedenen Bildungsstufen und hängt von den individuellen Bedürfnissen ab. Eltern sollten den Bildungsweg ihres Nachwuchses begleiten und dessen Selbstständigkeit sowie dessen Selbstbestimmung gleichermassen fördern. Während in der Primarschule oft eine intensive Begleitung vonnöten ist, verbunden mit regelmässiger, direkter Kommunikation mit den Klassenlehrpersonen, verändert sich die Elternfürsorge in höheren Bildungsstufen hin zu einer unterstützenden und beratenden Partnerschaft, wobei die Persönlichkeitsentfaltung in den Vordergrund rückt. Jugendliche werden im Berufswahlprozess trotzdem stark von ihren Eltern beeinflusst. Die Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten ist für die Berufsberatungs- und Informationszentren ein umso wichtigeres Anliegen, um die Berufswünsche der jungen Menschen zu stärken. Lesen Sie darüber das aufschlussreiche Interview auf Seite 24 mit Shirley Barnes, Leiterin Geschäftsbereich Berufs- und Studienwahl BIZ.

Für Konfliktlösungen und Kriseninterventionen, zum Beispiel bei Verhaltensproblemen oder Fällen von Mobbing, ist das Zusammenspiel zwischen Elternhaus und Schule auch besonders wichtig, um den jungen Menschen eine umfassende Unterstützung angedeihen zu lassen. Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus stärkt das Netzwerk um das Kind herum und sorgt für ein stabilisierendes und störungsarmes Umfeld, was wiederum Voraussetzung für das Wohlbefinden und den Lernwillen ist und zu vermindertem Schulfrust und Absentismus beiträgt.

Von Elternabenden und Elternräten

Auch wenn der Informationsaustausch heutzutage nicht mehr auf den Gang zum Elternabend beschränkt ist, hat dieses altehrwürdige Instrument der Elternbeteiligung noch lange nicht ausgedient. Der Elternabend ist generationenübergreifender Begegnungsort, wo Erziehungsberechtigte und Bildungsverantwortliche zusammenkommen, um sich über die schulische Laufbahn der Heranwachsenden auszutauschen. Im nachstehenden Interview mit dem Kommunikationsexperten Thomas Eberhard, selbst ehemaliger Grundschullehrer, erfahren Sie, welches die Zutaten für einen gelungenen Abend unter Eltern sind und welche Herausforderungen damit einhergehen.

Ein weiteres angestammtes Organ der Elternmitwirkung ist der Elternrat. Er ist in den letzten 15 Jahren an vielen Volksschulen institutionalisiert worden und dient dem Erreichen gemeinsamer Ziele und als ein Forum dafür, unterschiedliche Perspektiven zu vereinen und gegenseitige Anliegen zu diskutieren, namentlich die Förderung einer positiven Schulgemeinschaft, die konstruktive Bewältigung von Konfliktfeldern und die Verbesserung der Kommunikation zwischen Schule und Elternschaft (LCH, 41). Väter und Mütter lernen so, Verständnis für die Zusammenhänge der Schule und die Strukturen des Lehrplans zu entwickeln, und sie lernen ihre Rolle kennen. Der Elternrat ist ein wesentliches Bindeglied, das die Sichtweisen und Interessen der Eltern gegenüber der Schule vertritt und mit ihr in Dialog tritt.3 Ein Beispiel gelungener Elternmitwirkung zeigt der Beitrag auf Seite 21 über die Aktivitäten des Elternrats der Schule Lindenhof in Burgdorf, wo eine engagierte wie konstruktive Partnerschaft zwischen Schule und Elternschaft besteht.

Chance und Herausforderung

Der elterliche Mitwirkungsanspruch ist Chance und Herausforderung zugleich. Dank der Elternbeteiligung gewinnen die Schulen an Vertrauen und Transparenz, sie fördert Verständnis für Zusammenhänge, und mit der aktiven Teilhabe an schulischen Projekten erhalten Väter und Mütter Gestaltungsraum. Der Weg zu einer ausgewogenen Eltern-Schule-Zusammenarbeit ist jedoch ein fortlaufender Prozess, der Reflexion, Anpassung und die Bereitschaft zur Kooperation erfordert.

Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Rahmenbedingungen bilden das Fundament für eine strukturierte und geregelte Elternmitwirkung. Im dritten Abschnitt des Zivilgesetzbuches (ZGB) über «Die elterliche Sorge» wird der Handlungsspielraum einer gelingenden Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule geregelt. Dabei sieht der Gesetzgeber die Eltern in erster Linie in der Erziehungsverantwortung (Art. 301 Abs. 1 ZGB). Diese Pflicht beinhaltet neben der gesetzlichen Vertretung im besonderen Mass die Erziehung und Ausbildung des Kindes gemäss Art. 302 ZGB. Zum Wohl des Kindes sind die Erziehungsberechtigten dazu angehalten, «in geeigneter Weise mit der Schule» zusammenzuarbeiten (Art. 302 Abs. 3 ZGB).

Der Staat wiederum sorgt aufgrund seiner verfassungsmässigen Verpflichtung für «ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht» (Anspruch auf Grundschulunterricht gemäss Art. 19 BV), wobei die Kantone für das Schulwesen zuständig sind (Art. 62 Abs. 1 BV) und «für einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allen Kindern offensteht», sorgen (Art. 62 Abs. 2 BV). «Der Grundschulunterricht ist obligatorisch und untersteht staatlicher Leitung oder Aufsicht» (ebd.). Die Bundesverfassung verankert damit sowohl das Recht eines jeden Kindes auf ausreichenden Grundschulunterricht als auch die Pflicht, die Grundschule zu besuchen.

  1. Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) (2017): Schule und Eltern. Gestaltung der Zusammenarbeit. Leitfaden für Schulen, Behörden, Elternorganisationen, Aus- und Weiterbildung. Grundlagen, Übersichten und Fallbeispiele, Seite 3.
  2. Ebenda, Seite 21.
  3. Ein für eine gelingende Zusammenarbeit notwendiges Reglement regelt die Aufgaben, die Mitsprache und die Entscheidungsbefugnisse des Elternrats. Elternratsmitglieder können über Vernehmlassungen in Schulentwicklungsprozesse eingebunden werden und eigene Stellungnahmen für die Elternschaft in politischen Prozessen abgeben. Der Elternrat besitzt aber weder Weisungs- noch Personalführungskompetenzen. Dieses Recht kommt allein den Schulbehörden bzw. den Schulleitungen zu (ebd.).

Synthèse : Un dialogue entre les parents et l’école

Les parents jouent un rôle pluridimensionnel dans le parcours scolaire dans leurs enfants. Afin qu’une collaboration constructive se crée pour le bien des enfants, le dialogue entre parents et enseignantes et enseignants doit se faire sur un pied d’égalité. En effet, un partenariat solide entre les responsables de l’éducation et les responsables de la formation contribuent à l’identification avec l’école et donc au développement des enfants et des jeunes. Les parents peuvent par exemple accompagner les classes lors d’excursions, jouer le rôle de délégués pour un échange linguistique et culturel, organiser des réunions de parents d’élèves ou s’engager bénévolement au sein d’un conseil des parents d’élèves. Les possibilités sont aussi diversifiées que les écoles et constituent à la fois une chance et un défi. La participation des parents améliore la transparence de l’école et renforce la confiance et la compréhension entre les parties. En même temps, les parents gagnent une marge de manoeuvre en participant aux projets scolaires. Le chemin vers une collaboration équilibrée entre parents et école reste un processus continu de réflexion, d’adaptation et de volonté de coopération.

Christoph Schelhammer
Generalsekretariat
Kommunikation

Foto: Ruben Ung

 

EDUCATION 1.24

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