Ob «Walk-to-School-Challenge» oder «Walk & Talk» im Unterricht: An der Oberstufe Gsteighof in Burgdorf ist Bewegung Teil einer neuen Schulkultur. Die ersten Erfahrungen des vor zwei Jahren begonnenen Projekts sind vielversprechend – und sollen nachhaltig verankert bleiben.

«Zugpferde» der bewegten Schule an der Oberstufe Gsteighof in Burgdorf sind Senja Koch-Bräm und Jan Moll. Als die beiden Lehrpersonen 2023 auf das Forschungsprojekt «Active School» (siehe Kasten) aufmerksam wurden, zögerten sie nicht lange, Kollegium und Schulleitung von einer Teilnahme zu überzeugen. Die Idee fiel auf fruchtbaren Boden: «Uns war es wichtig, dass alle ihre Ideen und Vorstellungen einbringen konnten, um eine breite Basis zu schaffen», erzählen die beiden Projektverantwortlichen im Gespräch mit EDUCATION. «Motiviert hat uns, einen anderen Zugang zu Bewegung zu finden: Es braucht dafür nicht grosse Anlässe wie den Sporttag, man kann Bewegung auch gezielt in kleinen Momenten im Unterricht einbauen», erklärt Jan Moll, der seit 2013 als Klassenlehrer am Gsteighof arbeitet.
Bewegung im Schulalltag
Senja Koch-Bräm wiederum ist seit 2017 als Klassenlehrerin tätig und verfügt über einen Master in Fachdidaktik Sport. Sie baut die körperliche Aktivität auch im Deutschunterricht ein: So sah ihr letztjähriges Lektürenheft jeweils am Schluss einer Aufgabe eine Bewegungspause vor: «Nachdem die Schülerinnen und Schüler die Deutschaufgabe erledigt hatten, konnten sie für zehn Minuten Basketball spielen oder Jonglieren gehen.» Oder die Lehrerin schickte die Klasse auf einen «Walk&Talk», um eine Aufgabe spazierend und im Dialog mit einer Klassenkameradin oder einem Klassenkameraden zu lösen. Teil der Aufgabe konnte zum Beispiel sein, die Lösung auf dem Weg bis zum Ende des Schulkorridors herauszufinden.
Jan Moll nutzt Bewegungspausen oft in einer Doppellektion: «Dann gehen wir kurz alle hinaus an die frische Luft, machen ein paar Körperübungen oder werfen einander einen Ball zu.» Oder er lässt die Klasse einen Teil der Lektion im Stehen absolvieren. Die höhenverstellbaren Pulte hatte die Schule schon vor längerer Zeit beschafft, doch fand der Unterricht meist im Sitzen statt.
«Es brauchte eine gewisse Zeit, bis wir uns als Lehrpersonen an schulischen Bewegungsförderung die Neuerung gewöhnten.» Seit das regelmässige Benutzen der Stehpulte sozusagen institutionalisiert ist, wird das Hinauffahren der Pulte mitten im Unterricht nicht mehr als Störfaktor wahr genommen.
Klassenübergreifende Wettbewerbe
Dies sind nur ein paar Beispiele für die Integration von Bewegung in den klassischen Schulunterricht. Die beiden Projektverantwortlichen haben für das Kollegium eine ganze Palette an Ideen zusammengetragen. Im Lehrerzimmer liegen handliche Kärtchen mit Anleitungen zum Mitnehmen auf. In einer Wochen-E-Mail erhält das Kollegium zudem Links mit Videos der Plattform BougerBouger.ch, auf der Sportlehrpersonen hilfreiche Anleitungen bereitstellen. Darüber hinaus sammelt das Kollegium in einer allen zugänglichen Onlineablage nützliche Tools, die sich in der Praxis bewährt haben.
Für Senja Koch-Bräm und Jan Moll ist es wichtig, dass sich nicht nur die Klassen mehr bewegen, sondern auch die Schulkultur bewegter wird. Zu diesem Zweck lancierten sie schulhausinterne Wettbewerbe wie zum Beispiel die «Walk-to-School-Challenge». Dabei ging es für die Klassen darum, innerhalb von zwei Wochen möglichst viele Schritte auf dem Weg zur Schule zurückzulegen. Die Jugendlichen konsultierten dazu bei der morgendlichen Ankunft den Schrittzähler in ihrem Smartphone, bevor sie das Gerät gemäss den Schulregeln im Klassenzimmer deponierten. Die Schrittzahlen sammelte die Klassenlehrperson in einer Excel-Liste.
Die «Stehpult-Challenge» wiederum gewann diejenige Klasse, die während der Unterrichtslektionen am meisten Zeit stehend an den Pulten verbrachte. Bei beiden Wettbewerben gab es am Sporttag eine Rangverkündigung mit Preisen. Dies trug dazu bei, die Bewegungsförderung noch sichtbarer zu machen. Im Rahmen des Projekts erhielten zudem alle Klassen eine Lektion für eine angeleitete Bewegungseinheit zugeteilt – so zum Beispiel für Yoga oder Kiboga, einer Kombination von Kickboxen und Yoga.
Erlebnispädagogik stärken

Die beiden Projektverantwortlichen möchten auch die Erlebnispädagogik noch stärker in den Schulalltag integrieren. «Dabei geht es darum, Bewegung nochmals anders zu verpacken.» Etwa durch Denkspiele, die auch draussen möglich sind und die nebst der Bewegung auch Konzentration und Teamarbeit fördern. Ein Beispiel: Die Lehrperson legt auf dem Schulhausplatz verschiedene Gegenstände aus. Aus zwei gegnerischen Gruppen darf je eine Person die Situation aus der Nähe besichtigen. Zurück in der Gruppe berichtet sie, was sie gesehen hat. Das Kollektiv muss sich so organisieren, dass sich die Gruppe möglichst viele Gegenstände merken kann.
Oft zum Einsatz kommt auch das Spiel «Der Boden ist Lava». Dabei muss die Klasse ein imaginäres Lavafeld kollektiv überqueren. Dazu dürfen kleine Teppichstücke als Inseln platziert werden. Erschwerend ist die Regel, dass sich immer mindestens ein Fuss auf einem Teppichstück befinden muss – ansonsten dieses von der Spielleitung entfernt wird. Dabei lernen die Schülerinnen und Schüler, Distanzen zu kalkulieren, auf einem Bein zu balancieren und als Gruppe zu funktionieren. «Damit erreichen wir sozusagen einen didaktischen Doppeldecker», erklärt Jan Moll: «Die Bewegungspause vereint Teambildung und körperliche Aktivität.»
Unterricht anders denken
Hat sich der Schulalltag durch das Projekt verändert? Senja Koch-Bräm stellt fest, dass die Bewegungsaktivität im Schulalltag spürbar erhöht ist. «Man sieht, dass die Kinder aktiver sind.» Jan Moll verweist auf einen weiteren Punkt: In der grossen Pause leiten die anwesenden Lehrpersonen eine Bewegungsaktivität an, zum Beispiel Tischtennis, Gummitwist oder Basketball. Das habe zusätzlich den Effekt, dass damit auch Kinder integriert werden, die auf dem Pausenplatz wenig Anschluss finden oder nicht wissen, wie sie sich beschäftigen sollen.
Überhaupt habe das Projekt zur Bewegungsförderung im Kollegium viel ausgelöst, etwa, «dass man den Unterricht anders denken kann», wie es Moll formuliert: «Weg vom klassischen Bild, 45 Minuten ruhig am Pult sitzen zu müssen, hin zur Möglichkeit, mit den Jugendlichen rauszugehen, aktiv mit ihnen etwas zu tun, das auch zum Lernen gehört.»
In einer schulinternen Umfrage gaben zwei Drittel der Lehrpersonen an, dass sie die Bewegungspausen sehr schätzten und auch regelmässig im Unterricht einbauten. Bei den Jugendlichen erklärten mehr als die Hälfte, dass sie diese Bewegungspausen nicht nur gut finden, sondern sie auch wirklich benötigten.
Für Senja Koch-Bräm und Jan Moll sind diese Feedbacks eine Bestätigung dafür, dass das Projekt auf einem guten Weg ist. «Entscheidend für das Gelingen ist, das Kollegium breit einzubeziehen sowie offen und transparent zu kommunizieren. Im Weiteren ist es uns wichtig, dass wir das Projekt schrittweise in unseren Schulalltag eingliedern.» Die unterstützende Begleitung durch das Forschungsprojekt habe wichtige Impulse gesetzt. Nun gehe es darum, die Bewegungsförderung nachhaltig zu verankern.
Forschungsprojekt «Active School»
Die Oberstufe Gsteighof Burgdorf beteiligt sich am Forschungsprojekt «Active School: Nachhaltige schulische Bewegungsförderung» der PHBern und der Universität Bern. Das 2022 lancierte Projekt dauert noch bis Ende Juli 2026. Während vier Jahren begleitete das Forschungsteam die teilnehmenden Primar- und Sekundarschulen bei der Entwicklung, Umsetzung und Auswertung eines massgeschneiderten Konzepts zur Bewegungsförderung. Dies geschieht im Rahmen eines Schulentwicklungsprozesses, der verschiedene Bereiche und Förderebenen umfasst. Ziel ist es, dass Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen und Schulmitarbeitende weniger sitzen und sich mehr bewegen. Dies soll das Wohlbefinden steigern sowie die mentale und körperliche Gesundheit stärken.
Synthèse : Quand chaque pas compte
À l’école secondaire Gsteighof à Berthoud, l’activité physique fait partie d’une nouvelle culture scolaire. Ainsi, des pauses pour bouger sont prévues pendant les cours et des compétitions interclasses comme le «Walk-to-School-Challenge» sont organisées. La pédagogie par l’expérience est également renforcée. Les responsables du projet à l’école Gsteighof tirent un bilan positif et souhaitent ancrer durablement la promotion de l’activité physique dans le quotidien scolaire. L’école Gsteighof participe au projet de recherche «Active School: Nachhaltige schulische Bewegungsförderung» (active school: promotion durable de l’activité physique dans le cadre scolaire) de la PHBern et de l’Université de Berne (2022-2026). Dans ce contexte, l’équipe en charge de la recherche a accompagné l’école dans le développement, la mise en œuvre et l’évaluation d’une stratégie sur mesure. L’objectif est que les élèves, les membres du corps enseignant et le personnel de l’école soient moins assis et plus actifs, afin d’améliorer leur bien- être et de renforcer leur santé mentale et physique.
Theodora Peter
EDUCATION 3.25